24-Stunden-Pflege: Live-Ins in Dauerbereitschaft

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Derzeit sind in Deutschland zwischen 300 000 und 600 000 meist ost- und mitteleuropäische Migrantinnen als sogenannte Live-Ins beschäftigt, die Pflegebedürftige in Privathaushalten unter stark prekären Bedingungen versorgen. nd aktuell befasst sich in einer aktuellen Studie mit den Vermittlungsagenturen der Live-Ins. Ein von der Hans-Böckler-Stiftung gefördertes Forschungsprojekt veröffentlichte politische Handlungsempfehlungen.

Die 24-Stunden-Pflege habe sich in Deutschland als gängiges Modell zur Versorgung von Pflegebedürftigen der Mittelschicht etabliert, berichtet ein Artikel von nd aktuell. Pendelmigrantinnen aus Mittel- und Osteuropa würden Betreuung, Hauswirtschaft und Pflegetätigkeiten übernehmen und hierfür in der Regel über zwei bis drei Monate im Haushalt der pflegebedürftigen Person leben.

Die Migrantinnen befänden sich in ständiger Bereitschaftszeit: Pflegebedürftige, Angehörige und Agenturen erwarten von den Live-Ins ständig ansprechbar und einsatzbereit zu sein. Diese Anspruchshaltung werde auch dadurch hergestellt und aufrechterhalten, da Agenturen mit dem Angebot einer „24-Stunden-Pflege“ werben. Die gesetzliche Höchstarbeitszeit werde deutlich überschritten, doch der Staat akzeptiere bislang die Rechtsverstöße und verzichte auf staatliche Kontrollen der Arbeitsbedingungen, so die Autorinnen des nd-Artikels. Dieser Faktor sowie die Unterfinanzierung des Pflegesektors habe dazu geführt, dass sich ein »grauer Markt« ausgebildet habe. Die entsprechenden Vermittlungsagenturen würden diesen Markt mitgestalten und sich dabei auf rechtliche Rahmenbedingungen beziehen, die sie jedoch nicht vollständig umsetzen würden.

In der Studie »Reduktion der Arbeitszeit in der Live-In-Pflege. Eine interdisziplinäre Untersuchung von Maßnahmen der Vermittlungsagenturen« hat sich nd aktuell mit einer besonders einflussreichen Gruppe von Agenturen befasst. Die Ergebnisse sind ernüchternd. Beispielsweise ist das Verständnis von Arbeitszeit durch die Agenturen vielfach gekennzeichnet von Widersprüchen und vom Absprechen des Charakters der Arbeit. Sorgearbeit, Ansprechbarkeit und Fürsorge werden nicht als Arbeit verstanden. Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch am 24. Juni 2021 beschlossen, dass entsandte Arbeiterinnen in der Live-In-Pflege für jede Stunde ihrer Bereitschaftszeit nach dem Mindestlohngesetz zu vergüten sind. Die Studie von nd aktuell zeigt, dass es andere Modelle benötigt, um die Einhaltung von Mindeststandards für Live-Ins zu garantieren und eine klare Trennung von Arbeit und Freizeit herzustellen.

Auch das Forschungsteam um Eva Kocher von der Europa-Universität Viadrina und Bernhard Emunds vom Nell-Breuning-Institut ist im Rahmen eines Forschungsprojekts, das von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert wurde, zu dem Ergebnis gekommen, dass die Politik durch alternative Angebote dafür sorgen muss, den Bedarf nach sogenannter Live-In-Care zu verringern. Zum anderen sollte sie, wo sich nicht darauf verzichten lässt, die Verantwortung von Vermittlungsagenturen sowie Qualitätsstandards für gute Arbeit regeln. Die konkreten Vorschläge der Expertinnen und Experten können Sie hier nachlesen.

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